Elaine ohne Kind

Über den Abschied vom Kinderwunsch und das Leben danach

Sonntag

5

November 2017

Ein neuer Anfang

von Elaine, über Abschied vom Kinderwunsch, Schmerz, Ereignisse, Heilsam

Während der heftigsten Phase unserer Kinderwunschzeit sowie des Abschiedes davon wohnten wir in einem familienfreundlichen Quartier, direkt gegenüber der Primarschule. Weil wir zum Zeitpunkt der Wohnungswahl noch hoffnungsvoll gewesen waren, dass es vielleicht mit Hilfe der Reproduktionsmedizin doch noch klappen könnte mit den Kindern.

Es war eine gute Wohnung. Aber es gab unzählige Momente, in denen es weh tat, genau dort zu wohnen. Der Kinderlärm der Nachbarn unter uns, als ich mich nach der Operation zu Hause zu erholen versuchte. Das fröhliche Schwatzen der Schulkinder, wenn sie am Morgen direkt vor unserem Schlafzimmerfenster vorbeizogen. Im Abschied vom Kinderwunsch besonders schwierig. Mitten in der Trauer fehlte mir jedoch die Kraft, eine neue Wohnung zu suchen und umzuziehen. Also hielt ich aus.

Vielleicht habe ich durch die unmittelbare Konfrontation mit den Kindern im Quartier gewisse Dinge intensiver und dadurch auch schneller verarbeitet? Ich weiss es nicht. Lustig war das nicht. Irgendwann kam ich aber doch an einen Punkt, an dem es mich nicht mehr störte, genau da zu wohnen. Die lärmigen Nachbarn unter uns zogen aus. Ihre Nachmieter hatten ein Kind, waren aber viel ruhiger. Und die Kinder, die auf dem Schulplatz spielten, hatten irgendwann nicht mehr so viel mit mir zu tun. Vermutlich, weil es in meinem Herzen keine Haken und Ösen mehr gab. Ich kann nicht sagen, wann genau das passierte. Irgendwann im Heilungsprozess bildeten sich diese Haken wohl zurück. Ich sah die Vorteile der Wohnung: so im Grünen zu wohnen, jederzeit meine Joggingschuhe anschnallen und über die Feldwege traben zu können. Das war in den Jahren eine meiner wesentlichen Selbstfürsorgestrategien. Irgendwann, das wusste ich, würden wir diese Wohnung verlassen. Vor allem, weil sie eigentlich über ein Zimmer zu viel verfügte. Das Zimmer, das für unser erstes Kind vorgesehen gewesen war. Wir brauchten dieses Zimmer nicht. Als Gästezimmer dämmerte es mehr oder weniger vor sich hin. Aber noch verspürte ich nicht den Drang, eine andere Wohnung zu suchen. Ich steckte meine Energie in die neue Ausbildung. Es war schön, mich daheim einfach entspannen zu können. Zu dem Zeitpunkt war die Wohnung für unsere Bedürfnisse perfekt eingerichtet und benötigte keinerlei Veränderungen mehr. Darin liegt - zumindest für mich - eine gewisse Entspannung, die ich durchaus zu schätzen wusste.

Aber dann kam alles anders. Eine Bekannte, die in einer Altbauwohnung wohnte, zog um. Und fragte uns, ob wir Interesse an dem Bijou hätten. Wir ergriffen die Chance.

Da sind wir nun. In einer wunderschönen Wohnung, die genau so gross ist, wie es zu uns passt. Ade familienfreundliches Quartier! Es ist ruhig hier. Und das Beste daran: es gibt auch einen Garten, in dem wir machen dürfen, was wir wollen.

Natürlich war der Umzug anstrengend. Es dauert immer eine Weile, bis man sich an einem neuen Ort eingelebt hat. Aber das hat sich gelohnt. Denn mit dieser Wohnung beginnt geografisch gesehen eine neue Phase: diejenige nach dem Kinderwunsch. Auch diejenige nach dem Abschied davon. Es ist der Anfang vom Rest unseres Lebens, der hier stattfinden darf. Mit diesen Räumen sind keine Erinnerungen an Spritzen, negative Schwangerschaftstest und bodenlose Trauer verknüpft. Diese Wohnung dürfen wir mit anderen Dingen füllen, sie mit neuen Erinnerungen prägen. Und darauf freue ich mich.

Foto: Elaine

Elaine

lebt in der Schweiz. Sie liebt die Natur, besonders im Frühling. Sie mag Spaziergänge, Wanderungen, die Berge, das Meer, Bücher, Kunst, Flohmärkte, Brockenhäuser.

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