Elaine ohne Kind

Über den Abschied vom Kinderwunsch und das Leben danach

Samstag

10

Dezember 2016

Vom Respekt

von Elaine, über Tabu, Reproduktionsmedizin, Ungewollte Kinderlosigkeit, Gesellschaft, Medien

Am letzten Freitag publizierte die Neue Zürcher Zeitung einen sehr guten Artikel zum Thema Reproduktionsmedizin, Gesellschaft und Kinderlosigkeit. Er trägt den Titel “Ein Kind um jeden Preis?" und ist unbedingt lesenswert, wie ich finde!

Ausnahmsweise geht es hier nicht (nur) um die neusten medizinischen Möglichkeiten oder um sechzigjährige Frauen, die ein Kind bekommen (von diesen Artikeln gab es meiner Meinung nach viel zu viele!), sondern um die Herausforderungen, vor denen nicht wenige Paare in ihren Dreissigern stehen, weil sie auf natürlichem Wege nicht schwanger werden. Jedes zehnte Paar oder noch mehr (15% wären wohl jedes siebte Paar, wenn ich richtig gerechnet habe) - das sind doch recht viele! Es geht um die Entscheidungen, die diese Paare treffen müssen. Und um das, was geschieht, wenn es trotz aller Anstrengungen, viel Geduld und Tränen am Ende doch nicht klappt mit den so ersehnten Wunschkindern.

Manche Grenzen, seien es körperliche, psychische, finanzielle, moralische oder solche, die aus der Paarbeziehung entstehen (z.B. wenn einer der Partner nicht will), sind einfach da. Und nicht immer gibt es für jede Diagnose eine Lösung, selbst wenn wir und unsere Liebsten uns das wünschen würden. Oder vielleicht gibt es theoretisch eine Lösung, aber in der Praxis funktioniert es dann doch nicht. So war es bei uns. Da verstand auch die Ärztin nicht, warum es nicht geklappt hatte, wo die Voraussetzungen doch ideal gewesen waren?! Ich bin froh und dankbar, dass die Medien dies (endlich) aufgreifen, denn es ist wichtig! Ja, da gibt es viele Entscheidungen auf diesem Weg. Aber wir müssen nicht alles! Auch wenn die Hoffnung uns vielleicht viel mehr erdulden lässt, als wir uns jemals hätten vorstellen können. Wir dürfen selbst entscheiden, wann fertig ist. Wieviel wir uns selbst zumuten. Unserem Körper, unserer Psyche, unserer Ehe oder Beziehung.

Eigentlich muss ich zum Artikel selber nichts weiter sagen, ausser, dass es genau so ist, wie die Autorin es beschreibt. Der Mythos der Machbarkeit ist verbreitet. Sehr verbreitet. Zu verbreitet! In der Gesellschaft kommt es nicht gut an, wenn man “aufgibt”. Da ist ein Stigma. Als hätte man nicht lange genug durchgehalten, es nicht lange genug versucht. Mir sind aus der eigenen Familie Zweifel entgegengeschlagen, als ich ihr mitteilte, dass Schluss ist mit den Behandlungen. Ich erntete ungläubige Blicke und Sätze wie “Wenn Ihr Euch wirklich sicher seid…?” Keine sehr hilfreiche Reaktion in einem Moment, in dem man traurig und verletzlich ist! Eine, die zeigt, wie wenig die Menschen wirklich verstehen, welch eine Belastung eine solche Behandlung sein kann. Als gäbe es eine Garantie, jemals ein lebendes Kind in seinen Armen halten zu können, wenn man nur immer weitermacht. Das einzige, was man auf sicher hat, wenn man sich behandeln lässt, ist die Hoffnung. Und für diese Hoffnung zahlt man einen sehr hohen Preis. Ja, wir wussten, dass wir einen Schlussstrich ziehen mussten, und diese Entscheidung war alles andere als leicht zu fällen. Jedes Paar muss für sich entscheiden, wann es genug ist. Und das verdient Respekt, wie ich finde. Weil es Mut braucht aufzuhören in einem Zweig der Medizin, in dem es immer ums Weitermachen, Nicht-Aufgeben, Weiter-Hoffen, Positiv-Bleiben geht.

Wie war das bei Euch? Habt Ihr Euch in Eurer Entscheidung respektiert gefühlt?

Foto: Elaine

Elaine

lebt in der Schweiz. Sie liebt die Natur, besonders im Frühling. Sie mag Spaziergänge, Wanderungen, die Berge, das Meer, Bücher, Kunst, Flohmärkte, Brockenhäuser.

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