Elaine ohne Kind

Über den Abschied vom Kinderwunsch und das Leben danach

Montag

21

Juli 2025

Zu klein

von Elaine, über Trauer, Ereignisse, Ungewollte Kinderlosigkeit

Geschrieben Mitte Juni 2025

Er ist zu klein, dieser Körper. Er kann nicht alles fassen. Nicht alle Anliegen und Wünsche auf Arbeit, nicht den Stress. Selbst wenn ich ganze zusätzliche Tage arbeite. Der Platz in meinem Körper reicht nicht für alle Gefühle darüber, dass meine langjährige Freundin ab sofort wieder ihren Mädchennamen trägt. Und mein Patensohn das Trauma einer Scheidung erlebt. Er kann nicht fassen, dass ein Freund aus Jugendtagen verstorben ist. Auch nicht, dass seine Frau mir ein SMS schickt, um mir dies mitzuteilen. Wir waren uns früher mal so nah. Und dann mehr als ein halbes Leben nicht mehr.

Der Platz reicht nicht aus. Für das Wirrwarr der Emotionen darüber, dass ein wunderbarer Ort sich in den letzten Monaten enorm verändert hat. Dass manche Freundschaften nicht mehr so sind, wie sie mal waren. Es gehört zum Leben, dass einzelne Beziehungen mit der Zeit versanden oder verschwinden, aber gerade ist es etwas viel aufs Mal.

Ich habe ja Übung, dachte ich. Den Umgang mit unangenehmeren Gefühlen habe ich in den letzten Jahren lernen dürfen. Als vor einigen Wochen mein Pate starb und kurz darauf seine Frau, sagte ich zu meiner Mutter, dass ich ihre Trauer aushalten kann. Und ich spürte, wie sie sich hineinlehnte in diesen Raum, den sie sonst kaum hat. Und das war schön.

Aber es reicht nicht. Es reicht nicht für alles. Vielleicht reicht es für meine Bürokollegin, deren Katze mehrere Tage im Tierspital ist. Es reicht für Nachrichten an meine Freundin, um ihr zu vermitteln, dass ich an sie denke. Dass sie nicht allein ist. Es reicht für ein Geschenkpaket. Aber für viel mehr reicht es nicht.

Am Abend bin ich wie zerschlagen. Die viele Arbeit und die vielen Gefühle. Wohin damit?
Am Ende schreibe ich. Hier. Und das hilft ein wenig. Falls Ihr mal nicht wisst wohin mit Euren Gefühlen: Schreibt! Oder bringt sie vom Innen ins Aussen, auf welche Art auch immer.

Eines wird mir jedoch sehr bewusst. Der Freund aus Jugendtagen hatte Kinder. Trotzdem blieb er nicht verschont. Vor einer Erkrankung, Stellenverlust und noch anderem. Meine langjährige Freundin hat ebenfalls Kinder. Dennoch geht sie jetzt durch eine Krise, und nichts ist mehr, wie es zuvor war. Weder im Beruf noch privat.

Das Leben passiert. Im Guten und im Schlechten. Es gibt keine Gerechtigkeit.

Meine Kinderlosigkeit war auch eine Krise, jedenfalls ein paar Jahre lang. Und sie bleibt ein Teil von mir, macht mich “anders” als die Mehrheit der Gesellschaft. Vielleicht wird sie das immer tun, und es wird wohl auch in Zukunft Momente geben, in denen ich mich ausgeschlossen fühle. Doch ich habe gelernt, damit zu leben. Dieses Leben ist meistens ganz okay, jedenfalls, wenn mich nicht alles so überwältigt wie gerade jetzt. Und selbst dann gibt es Strategien, damit klar zu kommen ;-).


Inzwischen haben wir Juli, und das Leben ist ruhiger. Ich komme dazu, daheim aufzuholen, was in der stressigen Zeit liegen geblieben ist, und gehe auch mal im Flussbad schwimmen. Ich bin zwar kein Hitzefan, aber ich mag die Gemächlichkeit des Sommers.

Als Nächstes folgt ein Blogeintrag mit meinen kleinen Sommerfreuden – quasi als Gegenpol zu diesem Text :-).

Foto: Elaine

Elaine

lebt in der Schweiz. Sie liebt die Natur, besonders im Frühling. Sie mag Spaziergänge, Wanderungen, die Berge, das Meer, Bücher, Kunst, Flohmärkte, Brockenhäuser.

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