Elaine ohne Kind

Über den Abschied vom Kinderwunsch und das Leben danach

Mittwoch

2

November 2016

Beim Coiffeur (Teil 2)

von Elaine, über Ungewollte Kinderlosigkeit, Gesellschaft, Ereignisse

Irgendwie scheinen Coiffeurbesuche für mich in letzter Zeit eine recht emotionale Angelegenheit zu sein. Ende Mai habe ich bereits über mein letztes Coiffeurerlebnis berichtet. Damals war ich stolz darauf, sagen zu können “Wir können keine Kinder haben”, ohne in meine Einzelteile zu zerfallen. Heute sollte aus der Begegnung mit der Coiffeuse noch etwas ganz anderes werden.

Schon bei der Begrüssung stellte ich fest, dass sie schwanger sein musste. Ich dachte mir, dass der Bauch zu dick ist, um als “ein bisschen Speck” durchzugehen. Sie ist sonst nämlich sehr schlank. Aber danach fragen wollte ich nicht, denn das kann in einem bösen Fettnäpfchen enden…

Auf jeden Fall kamen wir dann im Gespräch vom Thema Weihnachtsgeschenke auf Süssigkeiten, dadurch auf die Ernährung und auf Verdauungsprobleme. Worauf mir meine Coiffeuse davon berichtete, wie sie jahrelang unter starken Bauchschmerzen gelitten hatte und dies von diversen Ärzten immer wieder unter den Teppich gekehrt worden war. Bis man am Ende herausfand, dass ihr Eierstock in ihren Bauchraum blutete, dass sie infolgedessen eine Entzündung hatte und daher die starken Bauchschmerzen… ebenso sagte man ihr, sie würde wohl nur mit Mühe schwanger werden können. Ihr Freund und sie waren daraufhin etwas nachlässig mit der Verhütung, und was war das Resultat davon? Sie wurde schwanger. Ein kleines Wunder.

Puh. Okay. Man sagte ihr, es könne sein, dass sie Endometriose habe. Worauf ich entgegnete “Das habe ich auch”. Und sofort war die Verbindung da. Nachdem ich ihre Geschichte kannte, weinte ich fast, als sie mir erzählte, dass sie schwanger sei. Und das nur aus “schönen” Gründen. Ich freue mich sehr, dass ihr erspart bleibt, was ich durchmachen musste. Aber einmal mehr macht es mich wütend, wie wenig die Schmerzen von uns Frauen ernstgenommen werden. Vier Jahre lang Schmerzen, fast dauernd? Würde irgendein Arzt einem Mann sagen, das sei einfach nichts? Kommt nicht in die Tüte, oder? Warum ist es in Ordnung, wenn das bei Frauen geschieht, immer wieder, und wie ich dank der Blogosphäre weiss, auf der ganzen Welt?

Ich dachte, ich hätte mehr Mühe damit, dass sie schwanger ist. In der Tat hatte ich erst nicht mal Lust, sie zu fragen, wie es ihr geht. Weil ich mir keinen Schwangerschaftsbericht anhören mochte. Aber so war es dann am Ende nicht. Da war eine junge Frau, die sich mir öffnete, und die dadurch eine Verbindung und Solidarität möglich machte, die durch ein So-Tun-Als-Wäre-Alles-Gut nicht entstanden wäre. Meine Coiffeuse ist “eine von uns”. Vielleicht nicht im engeren Sinne, aber im weiteren Sinne schon. Ihr Körper tat nicht, was man von ihm erwartete. Sie war bei vielen Ärzten. Machte sich allerlei Gedanken und Sorgen. All das bewirkt bei mir nur ein tiefes Mitgefühl. Und Freude. Und dafür bin ich dankbar.

Foto: Elaine

Elaine

lebt in der Schweiz. Sie liebt die Natur, besonders im Frühling. Sie mag Spaziergänge, Wanderungen, die Berge, das Meer, Bücher, Kunst, Flohmärkte, Brockenhäuser.

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