Elaine ohne Kind

Über den Abschied vom Kinderwunsch und das Leben danach

Donnerstag

2

Februar 2017

Der Abschied und die Paarbeziehung

von Elaine, über Abschied vom Kinderwunsch, Trauer, Männer

This post is available in English on Klara’s blog

In meinem letzten Blogartikel von 2016 habe ich nach Euren Wunschthemen gefragt. Genannt wurde unter anderem der Abschied vom Kinderwunsch und diesbezügliche Unterschiede zwischen Mann und Frau. Inzwischen habe ich mich darüber mit meiner “besseren Hälfte” unterhalten und schreibe Euch gerne auf, was wir aus unserer Sicht dazu sagen können.

Allgemeines

Gleich vorweg: ja, bei uns gab und gibt es Unterschiede. Ich kann hier natürlich nicht pauschal für alle Paare sprechen. Jeder Mensch, jede Ehe ist anders. Aber die Wahrscheinlich ist gross, dass der Trauerprozess bei Mann und Frau nicht immer synchron verläuft. Warum?

Da sind Unterschiede

  • im Charakter,

  • körperlicher Art, weil sich Mann und Frau ja in ihren Fortpflanzungsorganen eindeutig unterscheiden,

  • medizinischer und psychischer Art (falls die Ursache für die Kinderlosigkeit aus medizinischer Sicht eindeutig bei einer der beiden Personen liegt),

  • in der Geschichte eines jeden (habe ich in meinem Leben bereits einmal getrauert? Diese Erfahrungen können individuell sehr verschieden sein und prägen uns auch im Abschied vom Kinderwunsch),

  • aber auch gesellschaftlicher Art!

Wie war es bei uns?

Mein Mann ist ein sehr pragmatischer Mensch. Er fragt sich meist gar nicht erst, wie er sich fühlt. Als bei mir die Wellen der Trauer hoch wogten, da wusste er, dass ich ihn brauche. Er bot mir die starke Schulter und tröstete mich, so gut er konnte. Manchmal schien er fast stoisch zu sein. Ganz ruhig. Während ich mir vorkam wie im Schleudergang einer Waschmaschine! Das machte mich manchmal auch wütend. Weil es den Eindruck machte, als wäre mein Mann gar nicht traurig. Als könnte er das Ganze so viel leichter wegstecken als ich. Manchmal fühlte ich mich dadurch in meinen negativen Emotionen sehr allein. Und das war nicht besonders lustig.

Dann, als es mir besser ging, merkte ich, dass auch mein Mann trauerte. Plötzlich begann er seine Gefühle zu zeigen. Oder liess sie überhaupt erst zu.

Kürzlich diskutierten wir mit Freunden über dieses Thema. Sie meinten, dass in einer Beziehung meist der eine “stark” ist, während der andere durch eine Krisenzeit geht. Vielleicht, weil es das für das Gleichgewicht braucht. Es ist gut möglich, dass unsere Ehe eine gleichzeitige heftige Trauer von uns beiden nicht so gut vertragen hätte! Vielleicht ist es gar nicht schlecht, wenn sich beide Partner hier ein wenig abwechseln. Einmal ist der eine “der Starke”, dann wieder der andere. Nun weiss ich natürlich nicht, ob das bei allen Paaren so ist ;-). Auf uns passt diese Beschreibung jedoch sehr gut.

Wenn man diese Nicht-Synchronität kombiniert mit den oben aufgezählten Unterschieden, dann wird einem schnell klar, dass der Abschied vom Kinderwunsch in einer Paarbeziehung etwas recht Komplexes sein kann.

Unterschiede in unserem Charakter führten dazu, dass ich versuchte, meine Trauer zu verarbeiten, indem ich Bücher über dieses Thema las, viel darüber redete und irgendwann später dann auch anfing darüber zu bloggen. Mein Mann hatte dieses Bedürfnis viel weniger. Es interessiert ihn zum Beispiel bis heute überhaupt nicht, über die Kinderlosigkeit etwas zu schreiben. Das, obwohl er mich in meiner Schreiberei absolut unterstützt! Er liest hier auf dem Blog mit, aber darüber hinaus beschäftigt er sich nicht zusätzlich mit diesem Thema. Da sind so viele andere Dinge, die für ihn spannender sind. Themen gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und sozialer Art. Es gibt tausend Möglichkeiten für einen Menschen, der sich investieren und auf dieser Welt etwas bewirken möchte. Die Trauer nimmt mein Mann schon auch wahr. Aber er beschäftigt sich nicht so eingehend damit. Er richtet seine Aufmerksamkeit und Kraft sehr nach vorne. Was ich auf meine Weise vielleicht auch tue, aber sehr viel weniger geballt. Ja, ich gehe zur Schule. Ja, ich überlege mir, was ich mit dem Rest meines Lebens anfangen will. Aber der Abschied vom Kinderwunsch liess mich meinen Blick teilweise schon auch sehr nach innen richten.

Über die körperlichen Unterschiede muss ich vielleicht nicht soo viel sagen. Wir alle wissen, was es mit uns macht, wenn die Regel kommt, oder? Was emotional passiert, wenn sich das hormonelle Gleichgewicht im Laufe des Zyklusses verschiebt? Diese regelmässige Erinnerung an das, was nie sein wird, ist auf diese körperliche Weise uns Frauen vorbehalten.

Zu den medizinischen Unterschieden: ich vermute, dass der Partner, in dessen Körper die Ursache für die Kinderlosigkeit liegt (sofern dies überhaupt bekannt ist), sich auch intensiver mit seiner Weiblichkeit oder Männlichkeit auseinandersetzen muss. Vielleicht haben das nicht alle so. Aber ich könnte es mir sehr gut vorstellen. Dazu können auch Schuldgefühle oder Ängste gehören, weil der Partner vielleicht mit einem anderen Mann oder einer anderen Frau Kinder haben könnte.

Im Abschied vom Kinderwunsch können alte Trauererfahrungen wieder hochkommen. Zum Beispiel eine zerbrochene Beziehung, selbst wenn diese Jahre zurück liegt. Jeder Mensch hat hier eine ganz individuelle Geschichte, die den Abschied vom Kinderwunsch möglicherweise mit beeinflusst.

Nicht zu vernachlässigen ist auch die gesellschaftliche Komponente. Während ich das Gefühl hatte, einige meiner Freundinnen an die Mutterschaft zu verlieren oder andere Freundschaften erst gar nicht entstanden, weil es zu schmerzhaft für mich war, mit Schwangerschaften, Geburten und Stillen konfrontiert zu werden, ging bei meinem Mann vieles weiter wie gehabt. Ich habe ihn mal explizit danach gefragt. Er meinte, die Kinder wären für die Männer nicht so ein grosses Thema. Er konnte weiterhin mit seinen Freunden Mittag essen gehen, egal, ob sie nun ihr drittes Kind bekommen hatten oder nicht. Das Gespräch drehte sich vielleicht zwei Minuten lang um die Kinder, aber dann wieder um ganz andere Themen. Bei Frauen ist das sehr, sehr anders! Was - wen erstaunt es - auch den Abschied vom Kinderwunsch beeinflusst.

Und zum Schluss noch ein weiterer Punkt: mein Mann trauert nicht nur anders. Er trauert auch um andere Dinge als ich. Wir haben mal gemeinsam ein Diagramm gezeichnet mit Kreisen und Pfeilen. Dort malten wir auf, welche Aspekte des Kinderwunsches uns besonders bewegten. Und was uns jetzt fehlt. Während bei mir das Erleben von Schwangerschaft, Stillen und körperlicher Nähe mit dem Kind ein Faktor war, bedauerte es mein Mann viel mehr, nichts an seine Kinder weitergeben zu können. Ihnen nichts beibringen und zeigen zu können. Diese Dinge machten mir wiederum im ersten Moment nicht ganz so viel aus!

Fazit

Jetzt habe ich viele Unterschiede aufgezählt. Diese können sich trennend anfühlen, gerade, wenn es einem nicht sehr gut geht. Besonders wichtig ist es daher, sich gegenseitig zu respektieren und sorgfältig miteinander zu kommunizieren, egal, in welchem Tempo Mann und Frau trauern oder in welcher Phase sie sich gerade befinden. Das kann eine Herausforderung sein. Gleichzeitig kann genau diese schwierige Zeit ein Paar auch näher zusammenbringen.

Ich möchte an dieser Stelle sagen, dass es keine Schande ist, sich eine Trauerbegleitung zu gönnen. Ich habe mir im letzten Behandlungszyklus vom Kinderwunschzentrum die Telefonnummer einer Psychologin geben lassen und setzte mich mit ihr in Verbindung, als ich den Eindruck hatte, meinem Mann würde mein konstantes Darüber-Reden-Wollen in der Verarbeitung dieses Abschieds zu viel. Bereut habe ich dies überhaupt nicht, denn es tat mir gut. Irgendwie hatten diese Gespräche mit einer Fachperson etwas ungemein Beruhigendes. Der Blick von aussen ent-dramatisiert manches. Und doch war das Verständnis da. Schliesslich hat die Psychologin Erfahrung mit solchen Menschen wie mir. Auch mit noch ganz anderen, vielleicht weit schlimmeren Situationen. Das gab mir Sicherheit. Sich auf diese Weise begleiten zu lassen, ist kein Zeichen von Schwäche, sondern davon, dass man vom Wissen einer erfahreneren Person profitieren möchte. Und das macht doch auch in anderen Situationen sehr viel Sinn, nicht?

Es gibt kein Richtig oder Falsch in der Trauer. Ich würde auch nicht sagen, dass mein Mann “weniger” trauert oder getrauert hat als ich. Er tut es eben auf andere Weise. Und das ist in Ordnung.

Wie sind Eure Erfahrungen damit?

Foto: Elaine

Elaine

lebt in der Schweiz. Sie liebt die Natur, besonders im Frühling. Sie mag Spaziergänge, Wanderungen, die Berge, das Meer, Bücher, Kunst, Flohmärkte, Brockenhäuser.

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