Eine Entscheidung
von Elaine, über Muttertag, Ungewollte Kinderlosigkeit
Ich sitze am See, umhüllt vom Gezwitscher der Vögel, die Wärme der Sonne im Rücken. Ich sitze da und bin, sitze da und schaue, zu müde zum Lesen, zu müde für irgendetwas. Es sind unsere Frühlingsferien. Mein Mann und ich verbringen sie diesmal sehr ruhig. Viel lesen und schlafen, bei schönem Wetter ein Ausflug mit dem Rad. Noch mehr lesen und schlafen. Oder eben: auf dem Steg sitzen und mit den Füssen baumeln.
Einfach zu sitzen und zu schauen, ist paradoxerweise am Ende nichts Unproduktives, jedenfalls für mich. Manchmal hat es seine Vorteile, nichts machen zu mögen oder zu wollen. Wenn man einfach nur ist, ausserhalb der alltäglichen Betriebsamkeit, ausserhalb des Konsums von irgendwelchen (sozialen) Medien, kann es sein, dass etwas plötzlich an seinen Platz fällt. Dass da eine Klarheit ist, die zuvor gar keinen Raum hatte.
Ich entscheide mich dieses Jahr für die Dankbarkeit. Seit einer Weile hat meine Mutter eine Krebsdiagnose. Zum Glück ist es eine langsam fortschreitende Art, und bisher ist sie symptomfrei. Wenn alles gut geht, kann sie noch mehrere Jahre ein beschwerdefreies Leben führen. Also bin ich dankbar. Dafür, dass meine Mutter noch da ist. Für mich ist das keine Selbstverständlichkeit. Zwei meiner Onkel starben deutlich jünger, als sie es jetzt ist.
Es gibt immer auch Momente, in denen das Leben einem geschieht und man nicht bewusst entscheiden kann. So waren einige Muttertage in den letzten zehn Jahren ganz schön schwierig. Und andere wiederum erstaunlich leicht. So genau weiss ich nie, wie es wird. Aber die Grundtendenz des letzten Jahrezehnt war glücklicherweise schon so, dass es leichter wurde.
Zurück an den See. Ich gehe ein Stück und setze mich auf eine Bank. Sie trägt ein Schild. Eigentlich wollte ich es fotografieren, aber am Ende vergass ich es. Es geht darum, seine Aufmerksam auf das zu richten, was man hat, und nicht auf das, was man nicht hat.
Genau das tue ich dieses Jahr. Ich besorge meiner Mutter einen Gutschein und schreibe eine Karte. Da ich am Wochenende nach dem Muttertag ohnehin mit ihr verabredet bin zu einem Mutter-Tochter-Tag, überlasse ich es meinen Geschwistern, am Muttertagssonntag selbst etwas für oder mit meiner Mutter zu organisieren. Sie alle leben in ihrer Nähe und stehen im Zusammenhang mit Enkelbetreuung oder gekochten Mahlzeiten häufiger im Kontakt mit ihr. Ich weiss aber, dass meine Mutter sich auch auf den Tag mit mir freut.
Wie geht es Euch dieses Jahr mit dem Muttertag?
Entscheidet Ihr Euch ebenfalls bewusst? Wenn ja, wofür?
Oder passiert Euch das Leben gerade mehr, als dass Ihr es aktiv gestaltet?
Ich kenne beides. Und ich weiss, dass manche Phasen als ungewollt Kinderlose schwierig sind.
Sofern für Euch dieser Tag im Mai gerade einen Stachel trägt, wünsche ich Euch Kraft. Und Mut!
Seid lieb zu Euch. Ihr macht das gut!
Und Ihr seid wunderbar <3.
Eure Elaine
PS: Ältere Muttertagstexte findet Ihr hier. Mein Lieblingsbeitrag dazu ist dieser hier. Die Lesezeit ist etwas länger, aber ich finde, es lohnt sich :-)…
Foto: Elaine
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