Elaine ohne Kind

Über den Abschied vom Kinderwunsch und das Leben danach

Donnerstag

5

Januar 2017

Packungsbeilage

von Elaine, über Abschied vom Kinderwunsch, Trauer, Schmerz, Tabu

Auch wenn ich die intensivste Trauerphase definitiv hinter mir habe, so möchte ich doch wieder mal ein paar Worte darüber verlieren. Weil auch die Trauer ein Tabu ist, und ich finde, dass damit niemandem geholfen ist! Hier findet Ihr meinen ersten Artikel über die Trauer, falls Ihr ihn nicht schon kennt.

Die Trauer bekam ich völlig ohne Packungsbeilage geliefert. Ohne Anleitung. Sie platzte einfach herein, ungefragt (bestellt hatte ich sie ja nicht) und doch nicht ganz unerwartet. Und - puh - manchmal hätte ich mir wirklich gewünscht, da wäre irgendein Beipackzettel! Hin und wieder fragte ich mich, ob ich noch “normal” war oder ob meine Trauer schon in etwas Ungesundes überging? Ich fragte mich, ob ich durchdrehte? Kennt Ihr diese Fragen? Aber nein, verrückt war ich nicht, wie mir meine Psychologin dann bestätigte.

Über die Trauer redet man vielleicht nicht gern, aber es ist auch niemandem geholfen, wenn man davon so gar keine Ahnung hat. Ich wäre froh gewesen, wenn mir jemand gesagt hätte: Du, falls bei dir das und das passiert, dann wundere dich nicht… ist völlig normal!

Also: Im Sinne der oben erwähnten Packungsbeilage mache ich an dieser Stelle eine Liste von Nebenwirkungen. Wer noch weitere kennt, darf sie gerne in den Kommentaren ergänzen, das fände ich toll!

  • Die Welt wurde klein. Ich wollte mich verkriechen. Die Trauer dominierte, zumindest für einen Moment. Dinge, die mir sonst Freude bereiteten, waren auf einmal nicht mehr interessant. Was aber nicht hiess, dass ich sie mir nicht gönnte! Es brauchte einfach ein bisschen mehr Überwindung…

  • Ich sah und hörte in allem meine Kinderlosigkeit. Überall waren Schwangere. In meinem Umfeld schienen sich die Welt fast ausschliesslich um Kinder, Stillen, Geburten oder Erziehung zu drehen. Jetzt, wo es mir besser geht, fällt mir das weniger auf, auch wenn sich die Tatsachen objektiv nicht verändert haben. Die Kinder sind ja noch da, und meine Freunde haben immer noch ihre Familien. Das springt mir nur weniger entgegen. Ich vermute daher, dass diese Omnipräsenz vielleicht mit dem Schmerz selber zu tun hat und weniger mit dem Umfeld.

  • Ich schlief eine Weile lang nicht gut und war unkonzentriert. Ich wurde sogar vergesslich. Am Anfang störte mich das nicht so, bis zu dem Tag, als die Polizei meinen Mann anrief, weil sie meine Wertsachen gefunden hatten. Sie meinten, mir sei etwas zugestossen. Zum Glück wusste mein Mann, dass es mir gut ging, weil er kurz davor mit mir telefoniert hatte! Was heute eine lustige Anekdote ist, hat mich damals ziemlich aufgerüttelt!

  • Meine Lieben machten alles falsch. Sie sagten das Falsche, reagierten verkehrt, verstanden mich nicht oder machten alles noch schlimmer. Nun, rückblickend muss ich sagen, dass es wohl fast nicht möglich war, alles richtig zu machen. Denn: mal wollte ich darüber reden, mal nicht. Mal wollte ich auf das Thema angesprochen werden, mal auf keinen Fall. Mal wollte ich, dass man mit mir traurig war, mal wollte ich am liebsten gar nicht daran erinnert werden. Auf und ab ging es da. Wer kann hier schon mithalten? Ich merkte, dass ich meinen Lieben selbst sagen musste, was ich brauchte. Auch wenn das nicht leicht war. Anders ging es nicht.

  • Mein Mann und ich trauerten sehr verschieden. Und auch das machte es irgendwie schwierig. Mein Mann war “der Starke” von uns, was manchmal dazu führte, dass ich mir mehr Gefühl von ihm gewünscht hätte oder ihm gar vorwarf, nicht wirklich traurig zu sein. Später erfuhr ich, dass wir nicht das einzige Paar sind, dem es so ergeht. Und noch später zeigte auch mein Mann seine Trauer etwas offener. Dann nämlich, als es mir besser ging.

Das alles schreibe ich nicht um zu sagen, dass es bei Euch genau gleich sein muss oder wird. Vielleicht ist es ja ganz anders. Vielleicht nehmt ihr leichter Abschied als ich. Vielleicht sind in Eurer Ehe die Rollen anders verteilt. Auch das gibt es, dass die Männer sich emotionaler verhalten als Frauen. Das ist alles in Ordnung.

Hier steht nun meine Wahrheit, die nicht vollständig ist, es auch nicht sein will, aber von der ich hoffe, dass sie irgendjemandem, der das vielleicht liest, ein bisschen hilft. Nein, wir sind nicht verkehrt. Wir werden auch nicht verrückt. Wir trauern nur.

Foto: Elaine

Elaine

lebt in der Schweiz. Sie liebt die Natur, besonders im Frühling. Sie mag Spaziergänge, Wanderungen, die Berge, das Meer, Bücher, Kunst, Flohmärkte, Brockenhäuser.

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