Elaine ohne Kind

Über den Abschied vom Kinderwunsch und das Leben danach

Mittwoch

29

November 2023

Stephanies Geschichte

von Elaine, über Frauen ohne Kinder, Ungewollte Kinderlosigkeit, Abschied vom Kinderwunsch

Ihr Lieben,

heute darf ich eine Leserinnen-Geschichte mit Euch teilen. Als ich nämlich im Frühling im Hinblick auf den Muttertag nach Euren Geschichten fragte, ging eine davon im Spam verloren. Ich entdeckte sie erst Monate später. Das fand ich unglaublich schade, weil es doch so wertvoll ist, wenn wir voneinander hören. Es hilft, dass wir uns weniger alleine fühlen mit der ungewollten Kinderlosigkeit. Deshalb erscheint die Geschichte stattdessen heute:


Mein Name ist Stephanie und ich lebe mit meinem wunderbaren Mann in Zürich und bin 40 Jahre alt. Bis im Sommer 2022, während sechs Jahren, versuchten wir ein Kind zu bekommen.

2017 war ich zweimal schwanger, zuerst ein Frühabort, danach eine EUG. Es folgte eine Operation und eine sehr schwere Zeit. Monate vergingen und ich wurde nicht mehr schwanger, also kam der Gang in die Kinderwunschklinik. Inseminationen und ICSI mit dem Erfolg von drei angereiften Eizellen. Im Abstand von einem Jahr machte ich nach erfolglosem ersten Versuch einen Kryotransfer, leider auch ohne Erfolg.

Mental und emotional total am Ende, setzte ich mich Ende 2020 damit auseinander, dass wir keine Kinder haben werden. Ich habe nie daran gezweifelt, dass ein Leben ohne Kinder ein gutes sein kann, denn wir haben eine tolle Ehe, viele gemeinsamen Hobbys, reisen gerne, machen Sport. Doch der Lebenstraum der eigenen Familie war immer da und ich stürzte in eine tiefe Krise.

Da ich, seit ich vor Jahren meine Pille abgesetzt hatte, unter starken Regelschmerzen und massiven Blutungen litt, habe ich meine damalige Gynäkologin gefragt, was ich dagegen machen kann. Ihre einzige Antwort war, “wieder die Pille nehmen”. Das kam für mich aber nicht in Frage, denn damit würde ich ja den letzten Funken Hoffnung, vielleicht doch noch schwanger zu werden, vernichten. Ich holte mir also eine Zweitmeinung bei einem anderen Arzt ein. Relativ schnell erkannte er auf dem Ultraschallbild, dass in meiner Gebärmutter etwas nicht so aussieht wie es soll und so entschied ich mich im Januar 2021 für eine Bauchspiegelung. 17 Polypen hat er entfernt und meinte, es sei kein Wunder, dass ich nicht schwanger geworden war.

Die Hoffnung auf eine eigene Familie war also wieder da und ich wurde tatsächlich drei Monate später spontan schwanger. Als wir im Ultraschall den Herzschlag sahen, trauten wir uns auch endlich, uns zu freuen. Leider war in der 9. SSW kein Herzschlag mehr da. Der Traum, geplatzt wie eine Seifenblase. Die Trauer unendlich. Ich hatte eine missed abortion und musste nach Wochen des Wartens und Aushaltens Medikamente nehmen, dann doch noch ins Spital und operiert werden. Mit Hilfe meines Mannes, meiner Familie, Freunden und einer guten Psychologin kam ich durch die schwere Zeit.

Wir entschieden uns, es nochmals zu probieren, denn schliesslich war jetzt klar, dass ich spontan schwanger werden kann. Im September 2021 dann erneut ein positiver Schwangerschaftstest. Die Freude war diesmal aber sehr verhalten, denn wir wussten genau, das bedeutet noch nichts. Und auch dieses Mal war das Glück nicht auf unserer Seite. Im Ultraschall war lange nicht klar, ob es eine erneute Eileiterschwangerschaft ist oder ob es sich doch noch richtig entwickelt. Erneut Wochen des Hoffens und Bangens. Leider zeigte sich dann, dass es sich um eine Windmole handelte. Diesmal setzten die Blutungen spontan ein, die Trauer war deswegen nicht weniger.

Mein Gynäkologe war mit dem Latein am Ende. Dass ich so viel Pech hatte, konnte er kaum glauben und schickte mich zu einem Kollegen, welcher Reproduktionsmediziner ist. Im Dezember 2021 hatte ich den ersten Termin mit meinem Mann. Für uns war klar, eine weitere Eizellpunktion kommt nicht in Frage. Zum Einen, schaffe ich das emotional nicht, zum anderen ist es auch eine finanzielle Frage. Lange Rede kurzer Sinn, nachdem sich der Arzt sehr viel Zeit für uns genommen hat (ich habe diese Erfahrung im vorherigen Kinderwunschzentrum leider so nicht machen dürfen) entschied ich mich aufgrund der wiederholten Fehlgeburten für weiter Abklärungen.

Was ich dann erfahren habe ist, dass bei mir der hohe Verdacht auf eine Adenomyose besteht, was auch meine monatlichen Beschwerden und die wiederholten Fehlgeburten erklären. Der Arzt hat mir gesagt, eine weitere natürliche Schwangerschaft wäre fatal. Das Risiko einer weiteren Fehlgeburt und für mich eines weiteren Traumas sehr hoch. Für uns hiess dies, dass es auf natürlichem Weg keine Chance mehr gibt. Da wir noch eine kryokonservierte Eizelle hatten, entschied ich mich dafür, die hormonelle Therapie zu machen um die Adenomyose ‘auszuschalten’, um diesen letzten Kryotransfer zu machen. Dieser fand im Sommer letzten Jahres statt, leider auch ohne Erfolg.

Die ersten Wochen danach waren schwierig und ich weinte viel. Doch nach und nach merkte ich, dass eine Last von meinen Schultern fiel und ich wieder ‘lebe’. Sich nicht ständig die Gedanken über den Zyklus machen zu müssen, ist sehr befreiend und heute kann ich sagen, es geht mir gut.

Mein Mann und ich haben uns eine Auszeit genommen und sind nach Asien gereist. Um mich während der Kinderwunschzeit etwas abzulenken, habe ich eine Ausbildung zur Reittherapeutin gemacht. Pferde sind eine grosse Leidenschaft von mir und waren mir in dieser schwierigen Zeit immer eine grosse Stütze und nun erfülle ich mir meinen grossen Traum vom eigenen Pferd.

Mittlerweile bin ich absolut fein damit, keine Kinder zu haben und ich sehe auch die vielen Vorteile, die es mit sich bringt. Trotzdem gibt es immer wieder Situationen, in denen mich die Trauer und der Schmerz einholt, und das wird auch immer so bleiben.

Als ich mir heute Morgen einen Tee kochte, stand auf dem Zettel des Beutels: ‘Vergib deiner Vergangenheit. Schaffe Raum für deine Zukunft.’ - und genau das ist mein Plan!


Liebe Stephanie, ich danke dir herzlich für das Teilen deiner Geschichte!
Dein Mann und du habt viel durchmachen müssen. Das tut mir sehr leid. Umso schöner ist es zu hören, dass es dir wieder besser geht und du optimistisch in die Zukunft blickst! Ich wünsche dir viele unvergessliche Momente mit deinem Pferd!


PS:
Da der Advent bevorsteht, verlinke ich Euch meinen letztjährigen Dezember-Text. Darüber kommt Ihr auch an ältere Einträge zum Weihnachtsthema für den Fall, dass Ihr dazu etwas lesen möchtet.

Alles Liebe und tragt Euch Sorge!

Foto: Elaine

Elaine

lebt in der Schweiz. Sie liebt die Natur, besonders im Frühling. Sie mag Spaziergänge, Wanderungen, die Berge, das Meer, Bücher, Kunst, Flohmärkte, Brockenhäuser.

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