Elaine ohne Kind

Über den Abschied vom Kinderwunsch und das Leben danach

Donnerstag

13

April 2017

Vom Glück und Schuldgefühlen

von Elaine, über Abschied vom Kinderwunsch, Trauer, Heilsam

Trauern ist nicht lustig. Und doch. Ich weiss nicht mehr, wann es war. Irgendwann war er da, der Gedanke: Du musst den Schmerz loslassen. Mir wurde plötzlich bewusst, dass da tatsächlich ein Risiko bestand dafür, dass ich an der Trauer festhalte. So merkwürdig das klingt. Weil sie nämlich alles war, was mir von meinen Kindern geblieben war. Mal abgesehen von ein paar körperlichen “Souvenirs” wie zum Beispiel den Narben auf meinem Bauch.

Trauern heisst loslassen. Zuerst das, worum man trauert. Auch wenn das nicht ruck-zuck geht. Man kann es nicht forcieren. Irgendwann passiert es. Vielleicht erst dann, wenn man sich auf Neues ausrichtet. Bis man dann auch die Trauer selbst loslassen kann. Nachdem man sie eine Weile sehr gefühlt hat. Von Anfang an wollte ich durch die Trauer hindurch, weil ich mir eben bewusst war, dass ein “Da-Durch” nötig war, um das Leben dahinter wieder zu entdecken und zugeniessen.

Bei mir war es erst ein Bewusst-Werden: Ja, Trauer, ich lasse dich los. Zu dem Zeitpunkt war sie sehr präsent. Aber das nahm im Laufe der Zeit etwas ab. Vom alles durchdringenden Schmerz bis hin zu einer Tatsache, die mittlerweile - kann ich das überhaupt schreiben? - irgendwie ausserhalb meiner Selbst zu stehen scheint. Wenn ich jetzt eine Zeichnung von mir und der Kinderlosigkeit anfertigen müsste, dann stünde sie nicht mehr in mir drin. Nicht mehr in meinem Bauch, meinem Herzen. Sie wäre irgendwo ausserhalb. Gleichzeitig bin ich nicht sicher, ob ich jemals sagen würde, ich sei über meine Kinderlosigkeit komplett “hinweg”. Diese Aussage passt nicht. Die Kinderlosigkeit ist inzwischen Teil von mir. Ich habe mich mit ihr versöhnt und gleichzeitig etwas Distanz zu ihr gewonnen, so paradox das klingt. Aber sie ist ja auch nicht alles, was mich ausmacht. Sie ist nur ein Teil. Da ist noch viel anderes.

Kaum fühlte ich mich glücklich, da kamen - ahnt Ihr es schon? - die Schuldgefühle. Darf es mir so gut gehen? Heisst das nicht, dass ich meine Kinder nicht richtig gewollt habe? Ist das nicht ein Verrat an meinen Wunschkindern, dass es mir jetzt wieder gut geht?

Einmal mehr war ich dankbar für unsere tolle internationale Community. Als hätte sie geahnt, was bei mir los ist, schrieb Mali aus Neuseeland genau zu dem Zeitpunkt darüber, dass solche Gedanken wohl normal sind, aber dass sie im Grunde keinerlei Berechtigung haben. Weil sie unserer Geschichte nicht gerecht werden. Unserem Schmerz. Und der Trauer, die ja durchaus da war und es teilweise immer noch ist. Auch wenn es uns heute besser geht. Wenn wir so denken, sind wir uns selbst nicht treu. Also heisst das: loslassen, einmal mehr. Auch wenn es dabei nur um einen Gedanken geht.

Foto: Elaine

Elaine

lebt in der Schweiz. Sie liebt die Natur, besonders im Frühling. Sie mag Spaziergänge, Wanderungen, die Berge, das Meer, Bücher, Kunst, Flohmärkte, Brockenhäuser.

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