Elaine ohne Kind

Über den Abschied vom Kinderwunsch und das Leben danach

Donnerstag

23

Februar 2017

Aha-Erlebnisse

von Elaine, über Abschied vom Kinderwunsch, Heilsam, Bloggen

Aha-Erlebnisse

Etwas vom Positivsten in den letzten zwei Jahren seit unserer “Linie im Sand” waren die Aha-Erlebnisse. Zu einem sehr grossen Teil verdanke ich diese anderen Bloggerinnen. Der Austausch untereinander ist enorm anregend und bringt mich persönlich soo viel weiter! Mal ganz abgesehen davon, dass es immer wieder unglaublich heilsam ist, ganz verstanden zu werden von Menschen, die den gleichen oder einen sehr ähnlichen Weg gehen.

Kürzlich durfte ich wieder zwei solche Momente erleben, und zwar beide Male durch Mali (herzlichen Dank an dieser Stelle nach Neuseeland!). Einmal durch einen Kommentar hier auf meinem Blog und einmal durch einen Blogpost von ihr (der Link dazu folgt weiter unten). Die englischsprachigen Leser haben beides womöglich schon mitbekommen - ich wollte hier aber dennoch noch auf Deutsch darüber berichten für diejenigen, die kein Englisch verstehen.

Meine Erkenntnisse waren die folgenden:

Ich muss jetzt, im Abschied vom Kinderwunsch, nicht “besser” mit Kindern umgehen können als vor dem Beginn unserer aktiven Kinderwunschzeit!

Was jetzt vielleicht nur logisch klingt, war es für mich nicht unbedingt auf Anhieb. Am Anfang war es für mich sehr, sehr schwierig, mit Schwangerschaften, Babys und Kindern konfrontiert zu werden. Darüber habe ich bereits ausführlich geschrieben. Seither wird es immer besser. Ich bin nicht mehr wie versteinert, wenn ich um Kinder herum bin. Ich muss mich nicht bewusst anstrengen, um in Kontakt mit ihnen zu treten. Ich kann mich mit ihnen auf den Boden setzen und spielen. Und das geht gut. Aber es ist immer noch anstrengend. Es kostet mich Kraft. Und ich brauche Geduld… vor allem mit mir selbst!

Mali erinnerte mich (indirekt durch ihre Aussage über sich selbst) daran, dass ich auch vor der aktiven Kinderwunschzeit nicht diejenige gewesen bin, die sich stunden- oder tagelang mit Kindern abgeben konnte, ohne dies anstrengend zu finden. Und das war für mich früher, als das Thema noch unbelasteter war, auch nie ein Problem. Meine Schwester konnte die kleine Schwester hingebungsvoll bemuttern; das war nie gleich stark meine eigene Leidenschaft! Was völlig okay ist. Es müssen ja nicht alle Menschen auf der Welt Primarlehrer oder Kleinkindererzieher werden! Es reicht völlig, wenn es einige Menschen gibt, die Kinder so wahnsinnig lieben und sich ihnen völlig und ganz widmen, ohne dabei zu ermüden. Mich an genau dies zu erinnern, war eine grosse Erleichterung! Denn es macht absolut keinen Sinn, von mir selbst jetzt zu erwarten, dass ich die perfekte kinderliebende, endlos geduldige und ausdauernde Patin bin, wenn ich früher gar nicht unbedingt so ein Mensch war. Bei aller Liebe gegenüber Kindern! Und somit… setze ich mich ab sofort ein bisschen weniger unter Druck ;-).

Die zweite Erkenntnis entstammt diesem Blogpost von Mali:

Je mehr Zeit vergeht, desto mehr Distanz bekomme ich zur grossen Wunde in meinem Herzen. Vielleicht auch, weil irgendwann eine Haut darüberwächst. Je älter die Kinder in meinem Umfeld werden, desto mehr werden sie zu eigenen Persönlichkeiten und entfalten ihren Charakter. Das macht es mir als ungewollt Kinderlose leichter, um sie herum zu sein.

Ja, es ist genau so, wie Mali es sagt: am Anfang ist jeder gewölbte Bauch, jedes Baby, jedes Kind genau das, was man sich gewünscht hätte. Ziemlich undifferenziert. Vor zwei Jahren konnte ich einer wildfremden Person mit Babybauch in einer Bahnhofunterführung begegnen, und - zack - war der Schmerz da. Ohne dass diese Frau auch nur in meine Richtung geblinzelt hätte! Das wurde dann (zum Glück) immer besser. Mali meint, dass wir mit der Zeit etwas Distanz zu dieser grossen Wunde bekommen, und dass uns irgendwann bewusst wird, dass es einen Unterschied gibt zwischen den Kindern, die wir gewollt hatten, und den Kindern anderer.

Mir war bereits aufgefallen, dass es für mich emotional sehr viel schwieriger ist, ein Baby auf dem Arm zu halten, als mit einem Kind Zeit zu verbringen, das bereits sprechen kann. Vielleicht liegt es daran, dass Babys uns viel stärker an unsere eigenen Wunschbabys erinnern, solange sie noch wie ein unbeschriebenes Blatt sind und wenig eigenen Charakter zeigen. Natürlich tun sie dies auf ihre eigene Weise bereits von Anfang an, aber Ihr wisst schon, was ich meine. Ein Baby ist ein Baby. Das Bébé einer Freundin könnte vielleicht auch meines sein. Im Prinzip. Es gleicht noch nicht unbedingt seinem Vater oder der Mutter - zumindest finde ich das meist sehr schwierig zu sagen. Eine Ausnahme ist hier vielleicht eine aussergewöhnliche Haarfarbe. Grundsätzlich bietet ein Baby sich leicht als Projektionsfläche an für unsere Träume und Enttäuschungen. Während ich das schreibe, merke ich gerade, dass das vielleicht schon früher so war. Wenn ich als Teenager die Babys anderer Frauen auf dem Arm hielt, träumte ich schon von meinen eigenen. Eigentlich verrückt, was wir da alles projizieren, nicht?

Natürlich werden die Kinder meiner Freundinnen immer so alt sein, wie es meine Kinder heute wären, wenn es sie denn gäbe. Und das allein ist eine Erinnerung an das, was eben nicht ist. Mal ganz abgesehen davon, dass meine Freundinnen mit Kindern ein komplett anderes Leben führen und auch diese gesellschaftliche Komponente manchmal schmerzhaft ist! ABER gleichzeitig werden genau bei diesen Kindern mit den Jahren DIE Merkmale ausgeprägter, die unmissverständlich zeigen, dass sie eben nicht unsere Kinder sind. Wenn ich Zeit mit ihnen verbringe, dann mit einer eigenständigen Person und nicht “mit irgendeinem Baby”. Und das ist wohl das, was es dann ein wenig einfacher macht. Weil da eine Beziehung zu einem Menschen heranwächst, die sowieso anders ist, als es diejenige zum eigenen Kind wäre. Sie bietet durchaus auch ihre Schätze, obwohl das natürlich niemals ein Ersatz sein kann. Auf jeden Fall bin ich dankbar dafür, dass es bereits schon leichter geworden ist - und dass es bestimmt mit der Zeit noch einfacher wird, aus den hier beschriebenen Gründen.

Wie ist das bei Euch? Hattet Ihr kürzlich auch ein Aha-Erlebnis?

Foto: Elaine


PS: Neben dem Archiv gibt es jetzt auch einen Index, der Euch hoffentlich die Suche nach Stichworten erleichtert. Yippie :-)!

Elaine

lebt in der Schweiz. Sie liebt die Natur, besonders im Frühling. Sie mag Spaziergänge, Wanderungen, die Berge, das Meer, Bücher, Kunst, Flohmärkte, Brockenhäuser.

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