Elaine ohne Kind

Über den Abschied vom Kinderwunsch und das Leben danach

Freitag

17

Februar 2017

Innen und aussen

von Elaine, über Abschied vom Kinderwunsch, Hoffnung, Heilsam

Diejenigen, die schon länger hier mitlesen, erinnern sich vielleicht noch an meinen Artikel über eine meiner Lieblingsbloggerinnen, die schwanger wurde. Damals machte es mich wütend, dass ich einen der wenigen Orte verlieren sollte, an dem ich “sicher” war, das heisst, an dem es nicht um Schwangerschaft, Babys, Kindererziehung oder schlaflose Nächte ging. Ich fand das ungerecht, weil mir so viel anderes durch die Kinderlosigkeit genommen worden war. Freundschaften hatten sich verändert, andere wurden gleich von Anfang an im Keim erstickt, weil ich es nicht schaffte, mich in meiner Trauer allzu sehr mit Müttern und kleinen Kindern zu umgeben. Es überstieg schlicht meine Kraft. Und ich wusste auch, dass ich mich anderweitig orientieren musste, um glücklich zu werden. Ein bisschen weg von der Welt der Mütter, in eine andere, für mich zu dem Zeitpunkt gesündere Welt.

Inzwischen ist diese Bloggerin Mutter geworden. Es war interessant, die Entwicklung auf ihrem Instagram-Konto mitzuverfolgen. Von einem Tag auf den anderen wurden Lifestyle- und Essensfotos abgelöst von — erratet Ihr es? Da sind nämlich (fast) nur noch Babyfotos. Und wenn es keine Babyfotos sind, dann sind es Fotos von Babykleidern oder Babyspielsachen, die sie geschenkt bekommen hat. Ich habe die Bilder gezählt: seit der Geburt sind es 24 Baby-, Babykleider- oder Babyspielsachenfotos gegenüber 6 anderen. “Baby Spam” nennt sie es selbst und ist sich dessen wohl auch bewusst. Vielleicht ist es nur natürlich. Es ist, als wäre da ein Schalter umgelegt worden. Die junge Frau scheint vor allem eines zu sein: bis über beide Ohren verliebt in ihre kleine Tochter. Was wunderschön ist. Aber es zeigt auch, wie gross der Unterschied ist zwischen Menschen, die Kinder bekommen, und solchen, bei denen es eben nicht klappt. Die einen haben das Recht, völlig in ihrem Glück zu schwelgen. Die anderen… ja, was machen die anderen? Sie befinden sich in ganz anderen Gefühlen, solchen, die man nicht ganz so gut öffentlich machen und zeigen kann. Instagram-fähig sind sie nicht gerade ;-). Es sind Gefühle, über die man nicht gerne redet, derer man sich vielleicht sogar schämt. Und das scheint - neben der Ungerechtigkeit des Nicht-Kinder-Bekommens - zusätzlich ungerecht. Weil zu den schwierigen Gefühlen eben auch noch eine Isolation kommen kann, wenn man nicht aufpasst.

Aber zurück zu dem, was ich eigentlich darüber schreiben wollte. Als ich damals im Sommer von der Schwangerschaft erfuhr, machte mich das wütend. Und ich lernte daraus etwas ganz Wichtiges: nämlich, dass es keine wirklich “sicheren Orte” gibt. Der einzig sichere Ort bin ich selbst. Ich kann mir selbst diesen Ort bieten, den Trost bieten, die Erholung bieten, wenn die Welt um mich herum das nicht tut. Das bedeutet aber auch, dass ich freundlich zu mir selbst sein muss/will. Um mir das Leben nicht noch schwerer zu machen, als es sowieso schon ist. Ich weiss nicht, ob das verständlich ist, oder ob das allzu abgehoben klingt?

Jetzt ist das Kind der Bloggerin da, und das macht mit mir - abgesehen von einem leichten Bedauern darüber, dass für mich das Instagram-Konto der besagten Bloggerin plötzlich viel weniger interessant geworden ist und ich es vielleicht aus meiner Favoritenliste entfernen werde - NICHTS aus. Puh! Erleichterung.

Was mich wiederum zurück bringt zur Vermutung, dass das, was wir von aussen als schwierig wahrnehmen, vielleicht mehr mit unserem Innern zu tun hat, als wir denken. Dass die Aussenwelt schwierig zu ertragen ist - seien es Schwangerschaften, Geburten oder eine Welt, in der sich alles um Kinder dreht -, liegt an unserem eigenen Schmerz. Und da kann ich Euch Hoffnung machen: der Schmerz wird mit der Zeit weniger. Ich weiss nicht, ob er jemals gänzlich verschwinden wird, aber er wird sehr viel sanfter und meldet sich seltener.

Etwas anderes, was in die Kategorie “aussen” gehört, ist die neue SBB-Werbung, die vor ein paar Wochen am Bahnhof begegnete. Der Slogan lautet “In Zukunft stehen Ihrem Nachwuchs alle Wege offen”. Abgebildet darauf ist eine schwangere Frau, die sich glücklich lächelnd eine Hand an den Bauch hält, gelehnt an eine rote Bank vor einem See mit Bergpanorama. Ich sah das Plakat und wartete auf den Stich. Er kam nicht. Flüchtig dachte ich mir “Das wäre jetzt nicht nötig, dass die hier jetzt auch noch Schwangere abbilden”. Aber der Gedanke verging, und zurück blieb das Wissen, dass Werbung schon seit jeher gern auf unsere Gefühle und Sehnsüchte abzielt. Das kennen wir aus der Weihnachtsidylle der Margarinewerbung. Weihnachten funktioniert als Projektionsfläche wohl besonders gut, auch wenn in Wirklichkeit jede(r) von uns selber bestimmen kann, was Weihnachten für sie/ihn sein soll. Ist es nicht so?

Aussen und innen. Wie ist das bei Euch? Habt Ihr schon Werbung oder andere Dinge gesehen, die ich Euch störten? Traurig oder wütend machten? Und spürt Ihr eine Veränderung darin, wie Ihr darauf reagiert?

Foto: Elaine


PS: Übrigens habe ich auf Leserwunsch ein Archiv angelegt, in dem ältere Blogeinträge leichter zu finden sind. Ich hoffe, das hilft :-)!

Elaine

lebt in der Schweiz. Sie liebt die Natur, besonders im Frühling. Sie mag Spaziergänge, Wanderungen, die Berge, das Meer, Bücher, Kunst, Flohmärkte, Brockenhäuser.

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