Elaine ohne Kind

Über den Abschied vom Kinderwunsch und das Leben danach

Samstag

28

Juni 2025

Gewappnet

von Elaine, über Ungewollte Kinderlosigkeit, Gesellschaft

Vieles ist in den letzten zehn Jahren einfacher geworden. Eines aber ist mir geblieben: mein “sechster Sinn”.

Vielleicht erinnert Ihr Euch an das Verhalten meines Bruders, als er letztes Jahr Vater wurde. Hier und hier habe ich darüber geschrieben. Die Wut, die dieses in mir auslöste, sorgte dafür, dass ich auf Distanz zu ihm, seiner Frau und seinem Kind ging. Aus Selbstschutz. Das ist einerseits schade, andererseits war es aber auch nötig.

Diesen Frühling lud ich relativ kurzfristig die Familie und ein paar wenige Freunde zu Kaffee und Kuchen ein. Seit langem wieder mal; in anderen Jahren hatte mich die Arbeit abgeschreckt oder die Energie dafür gefehlt. Diesmal hatte ich Lust, Menschen um mich zu haben. Erstaunlicherweise sagte mein Bruder mit Familie zu. Seine Tochter ist inzwischen ein Jahr alt.

Meine Schwägerin leidet unter Laktoseintoleranz, und da ich die weit Hergereisten mit einem einfachen Abendessen bewirten wollte – eine leckere Karotten-Mango-Suppe, Brot und Käse sollten es werden – fragte ich bei meinem Bruder nach, welchen Käse denn seine Frau essen dürfe. Seine Antwort: Sie könne fast jeden Käse essen, er müsse nur pasteurisiert oder homogenisiert sein.

Nun habe ich mich in meinen Dreissigern lange genug mit Kinderwunsch und Schwangerschaft auseinandergesetzt um zu wissen, dass man in dieser Zeit keine Rohmilchprodukte konsumieren sollte. Ich wappnete mich. Angesichts meiner Erfahrungen vom letzten Jahr traute ich meinem Bruder zu, mir ausgerechnet an meinem Geburtstagsfest von der zweiten Schwangerschaft zu erzählen. Und am Ende sollte ich tatsächlich recht behalten.

Früher hätte mir so etwas den Tag verdorben. Nicht unbedingt die Tatsache, dass mein Bruder ein zweites Kind bekommt. Das ist ja erfreulich. Es geht mehr um den Zeitpunkt der “Verkündigung” und erneut um ein mangelndes Einfühlungsvermögen. Vor einem Jahr belastete mich das Verhalten meines Bruders ziemlich. Inzwischen ist er in der Schublade “ist sehr mit sich selbst und seiner Familie beschäftigt” gelandet. Eine Variante davon wäre: “Jeder ist in seinem eigenen Film” – ein Gedanke, der mir im letzten Jahr immer wieder mal kam, auch in anderen Situationen. Ich wundere mich nicht mehr und rege mich nicht mehr auf. Vor allem erwarte ich aus Erfahrung gar keine Rücksichtnahme mehr von ihm, noch weniger von seiner Frau. Stattdessen sorge ich für mich selbst, indem ich vorsichtig auf Distanz bleibe.

Es war schön, dass sie die Fahrt zu meinem Geburtstagsfest auf sich nahmen, dass es ihnen das wert war. Eines ihrer Geschenke war zudem recht passend: Skizzenbücher kann ich immer gebrauchen. Das versöhnt mich ein wenig mit ihnen. Zudem verbrachte ich einen wirklich schönen Geburtstag. Ich bin dankbar dafür, dass sie mir das Wochenende nicht verderben konnten.

Wie ist das bei Euch?
Habt Ihr auch einen sechsten Sinn?
Und Schubladen, die Euch nützlich sind?

Ich freue mich, von Euch zu lesen.

Foto: Elaine

Elaine

lebt in der Schweiz. Sie liebt die Natur, besonders im Frühling. Sie mag Spaziergänge, Wanderungen, die Berge, das Meer, Bücher, Kunst, Flohmärkte, Brockenhäuser.

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