Elaine ohne Kind

Über den Abschied vom Kinderwunsch und das Leben danach

Donnerstag

30

September 2021

Im Übergang

von Elaine, über Sabbatical, Ungewollte Kinderlosigkeit, Endometriose

Der Frühherbst lässt seine Schatten tief in unseren Garten fallen. Um die Mittagszeit stelle ich meinen Stuhl an die einzige sonnenbeschienene Stelle hinter der Trauerweide. Wenn ich da länger still sitze, kann es sein, dass ich plötzlich ein Klopfen höre: Hallo Buntspecht! Oder dass es einen halben Meter neben mir silbrig-braun schimmert, weil sich eine Blindschleiche an mir vorbeischlängelt. Mit dem Kopf nach unten sucht der Kleiber nach Insekten in der Baumrinde der Weide. Es geht ein feines Lüftchen. Ich blicke auf das Meer an leuchtend gelben Rudbeckien, die den Sommer noch ein bisschen mit in den Herbst nehmen.

Ich lese viel. Erschliesse mir Neues, wie schon so oft in Übergangsphasen. Die schwierigste, letzte Übergangsphase war der Abschied vom Kinderwunsch. Damals schrieb ich über dieses “Dazwischen” hier. Diesmal ist es ähnlich und doch anders.

Keine Kinder haben zu können, war schmerzhaft. Die Neuorientierung schwierig. Ich fühlte mich unendlich einsam! Das ist diesmal besser. Einsamkeit verspüre ich keine. Und wenn, dann liegt es an mir, weil ich mich vielleicht bei gewissen lieben Menschen wieder mal melden müsste ;-). Weh tut es eigentlich auch gerade nicht. Trotzdem ist es nicht ganz angenehm, sich zwischen zwei Dingen zu befinden. Das Alte ist nicht mehr. Meine Stelle habe ich gekündigt. Es ist richtig so und ich bereue es nicht. Aber das Neue ist eben auch noch nicht da. Ohne meinen Mann wäre ich manchmal etwas verloren. Er hilft mir, wenn meine Gedanken sich zu sehr verknoten und meine Gefühle deswegen ins Tal fahren. Vor allem jetzt, wo ich wieder einen weiblichen Zyklus habe.

Das ist eigentlich auch das einzig Neue im Moment. Weil meine Schlafprobleme einfach nicht verschwinden wollten, warf ich mal einen Blick auf die Packungsbeilage der Hormonpille und wurde fündig. Es war ein Frust, mich nach einem halben Jahr Sabbatical nicht erholt zu fühlen. Im Gegenteil, ich fühlte mich eher depressiv. Wenn man auf Dauer nur 3-4 Stunden schläft, kann das schon mal passieren. Ich bin sehr dankbar dafür, die “Schuldige” gefunden zu haben. Die Hormone nahm ich wegen der Endometriose; hier könnt Ihr mehr darüber lesen.

Rückblickend wird mir bewusst, dass die Hormoneinnahme mir im Abschied vom Kinderwunsch eine Art Schonraum bot. Vier Jahre lang wurde ich nicht mehr monatlich daran erinnert, dass ich eine Frau bin und mein Körper rein theoretisch zum Kinder-Kriegen gemacht wäre. Vielleicht kennt Ihr die damit verbundenen Sinnfragen: Wozu blute ich dann jeden Monat? Wozu die Hormonschwankungen, die körperlichen Schmerzen, die emotionale Talfahrt, wenn sie für nichts gut sind? Die Gefühle können, wenn man da gerade unten im Tal ist, schon heftig sein. Und genau das war mir in den letzten vier Jahren erspart geblieben. Sechseinhalb Jahre nach dem Ende unserer Kinderwunschbehandlung ist die Wiederbegegnung mit dem Hormontief etwas leichter geworden, aber es ist eben immer noch ein Tief. Dafür gibt es jetzt auch wieder entsprechende Hochs. Es fühlt sich natürlicher an, als hormonell dauerhaft gleich eingestellt zu sein.

Und die Endometriose? fragt Ihr nun vielleicht. Ist die jetzt weg? Nein, natürlich nicht. Die Schulmedizin kennt zwei Strategien im Umgang mit ihr: 1) Operieren. Bei mir geschehen vor sieben Jahren. Leider wurde dadurch nur alles schlimmer. Strategie Nr. 2) Hormone, die den Zyklus unterdrücken. Damit ist bei mir jetzt aber auch Schluss. Ich will einfach wieder schlafen. Weil ein Leben ohne Schlaf kein Leben ist. Punkt.

Was mache ich jetzt? Es gibt noch einen dritten, alternativen Ansatz, und das ist eine Ernährungsumstellung. Damit experimentiere ich seit etwa zwei Monaten. Ich habe ja die Zeit dafür, jetzt, wo ich im Sabbatical bin. Konkret verzichte ich auf Milchprodukte, Eier und Haushaltszucker. Fleisch esse ich vielleicht einmal die Woche. Also wenig. Dafür gaaanz viel von allem Pflanzlichen. Ja, ich gehe häufiger einkaufen. Und ja, ich stehe viel mehr in der Küche. Aber hey, dafür benutze ich jetzt endlich meine Kochbücher! Auch gut, oder? Und wollt Ihr das Beste wissen? Zweimal habe ich die Regel nun schon ohne Schmerzmittel überstanden. Wenn es so bleibt, bin ich mehr als zufrieden! Denn auf die Hormonpille kam ich vor vier Jahren nur, weil die Schmerzen unerträglich geworden und auch mit verschreibungspflichtigen, starken Schmerzmitteln nicht mehr im Schach zu halten waren.

So weit, so gut. Ich esse also gesünder. Was sich stimmig anfühlt. Ich versuche mein Sabbatical zu geniessen und mich in kleinen Schritten weiterzubewegen in die Richtung, die sich schemenhaft wie im Nebel vor mir abzeichnet. Es bleibt spannend!

Mich würde jetzt vor allem interessieren, wie es Euch geht?
Geniesst Ihr die sonnigen Frühherbsttage? Oder ist es gerade eher schwierig?

Ich freue mich, von Euch zu lesen.

Eure Elaine

Foto: Elaine

Elaine

lebt in der Schweiz. Sie liebt die Natur, besonders im Frühling. Sie mag Spaziergänge, Wanderungen, die Berge, das Meer, Bücher, Kunst, Flohmärkte, Brockenhäuser.

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